Wiesbadener Erklärung zum Hospiz- & Palliativ-Gesetz (HPG): für bedarfsgerecht strukturierte Versorgung nachbessern (27.05.2015)

on 11 Juni 2015

Die Bundesarbeitsgemeinschaft der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (BAG SAPV) begrüßt die Initiative der Bundesregierung zum Hospiz- und Palliativ-Gesetz ausdrücklich. Mit diesem notwendigen Beitrag zur Daseinsvorsorge soll flächendeckend eine angemessene palliative und hospizliche Versorgung aller Sterbenden in Deutschland ermöglicht werden. Die Bundesregierung setzt damit bisher nicht berücksichtigte internationalen Verbindlichkeiten (WHO, EU-MR etc.) um: einer an den Erfordernissen der Patienten ausgerichtete Palliativ-versorgung wird zunehmend Menschen- bzw. Grundrechtscharakter zugewiesen. 

Um die Ziele des Gesetzesentwurfes in Flächendeckung und Reichweite erreichen zu können bedarf es allerdings nach Expertenmeinung dringend folgender Anpassungen:


1. Die seit 2009 erfolgreich begonnene Strukturentwicklung der SAPV durch multiprofes-sionelle Palliative-Care-Teams als krankenhausersetzende Spezialversorgung der tertiären Versorgungsstufe bedarf der Fortentwicklung und weiteren Unterstützung:


a. eine Schwächung durch Konkurrenz seitens einzelprofessioneller Surrogat-strukturen im Nebenerwerb (§73b HzV) ist für die Versorgung der betroffenen Patienten und Familien wegen fehlender Qualität und Sicherheit schädlich.

b. Fehlende und überlastete Kassenärzte in strukturschwachen Regionen können aus rein sachlicher Erwägung diese rund um die Uhr notwendige Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen. 

c. Verträge der Krankenkassen für diesen spezialisierten Leistungsbereich sind nur mit qualifizierten multiprofessionell verfassten Teamstrukturen zulässig. Die Leistung ist ärztlich und pflegerisch qualifiziert 24h/7d sicherzustellen.

d. Multiprofessionalität mit verpflichtenden Anteilen von palliativärztlichem Dienst, Palliativfachpflege, sowie jeweils spezifisch qualifizierter Sozialarbeit und Psychologie einschließlich deren Finanzierung in der SAPV ist explizit zu regeln.

e. Eckpunkte für Anschubfinanzierung, Vorhalteaufwand und bedarfsgerechte Strukturplanung bedürfen einer sachorientierten Regelung.

Die Änderungen zu §132d SGB V sind entsprechend anzupassen.

2. Die fachlich qualifizierten und koordinierten ärztlichen Leistungen der ambulanten allgemeinen Palliativversorgung in Netzwerken mit anderen Ärzten, allgemeinen sowie palliativ qualifizierten Pflegediensten und Hospizdiensten sind als obligater Bestandteil des kassenärztlichen Sicherstellungsauftrages nach §73 SGB V konkret zu benennen, um die bedarfsgerechte Entwicklung von Angeboten im Sinne der AAPV zu stärken. Die neuen Regelungen des HPG in §§ 27 und 87 reichen dazu nachweislich nicht aus.

3. Selektivverträge, (insbesondere gem. §§ 73b, 140a und 116b) in deren Rahmen auch Menschen mit lebensbegrenzenden Erkrankungen versorgt werden, dürfen von den Vertragspartnern nur dann abgeschlossen werden, wenn hierin explizit inhaltliche und strukturelle Regelungen zur angemessenen und umfassenden Palliativversorgung einschließlich der Schnittstellengestaltung zur SAPV enthalten sind. Diese Maßnahme dient der durchgängigen Etablierung erforderlicher Angebote unabhängig von Sektorengrenzen und zugrundeliegenden Vertragsinstrumenten. Geeignete Regelungen sind in den jeweiligen Paragraphen zu ergänzen.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden aufgerufen, diese Änderungen im vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung herbeizuführen, um zuverlässig eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung am Lebensende zu ermöglichen. 

 

Michaela Hach

In Vertretung für die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der SAPV