Flächendeckende Versorgung durch Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV)

Abstract der Bundesarbeitsgemeinschaft-SAPV zur Problemdarstellung

SAPV ist ein gesetzlich verbindliches Versorgungsangebot (§ 37b SGB V i. Verb. m. § 132d SGB V) für schwerstkranke und sterbende Menschen, die trotz komplexer Symptomgeschehen ihr Leben bis zum Tod in ihrem Zuhause verbringen wollen. Die Behandlung setzt ein besonderes abgestimmtes Konzept voraus und erfordert qualifizierte palliativmedizinische und palliativpflegerische Kenntnisse und Erfahrungen. Dies verlangt zudem eine hoch vertrauensvolle und enge Teamarbeit. Dafür ist eine spezifische Strukturbildung sowie professionelle Netzwerkarbeit vor Ort nötig.

Vergaberecht bremst SAPV aus

Selbst unter oben genannten Voraussetzungen konnte die SAPV für viele Sterbenskranke trotz des bestehenden Rechtsanspruches bis heute nicht flächendeckend umgesetzt und nachhaltig gesichert werden. Die Gründe dafür sind unter anderem langjährige Verhandlungen mit Krankenkassen oder fehlende Angebote der Leistungserbringer. In drei Bundesländern haben Krankenkassen angedroht, bestehende SAPV-Verträge zu kündigen und die Verträge neu auszuschreiben, obwohl bisher keine flächendeckende Versorgung erreicht wurde. Der Grund sei das EU-Vergaberecht. Die Verträge sollen nun zukünftig aus kartellrechtlichen Gründen auf vier Jahre befristet werden.

Schwerstkranke und Sterbende brauchen zuverlässige Strukturen

Die von den Krankenkassen geplanten Ausschreibungsverfahren und die Befristung der Verträge auf vier Jahre führen zu erheblichen Schaden für einen flächendeckenden Ausbau einer regional verankerten
SAPV, weil …

• Die Betroffenen  auf eine abgestimmte und koordinierte Zusammenarbeit aller Leistungserbringer angewiesen sind.
Diese ist nur erreichbar, wenn Ärzte, Pflegefachpersonen und Betreuer vertrauensvoll als Team zusammenarbeiten und sie regional verankert sowie vernetzt sind. Eine solch verlässliche Teamstruktur aufzubauen und Mitarbeiter entsprechend zu qualifizieren, ist kurzfristig nicht zu erreichen.

• Hoch qualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter (Ärzte und Pflegende) nur befristet eingestellt werden können.
Mitarbeiter in der SAPV müssen den Versorgungsanforderungen entsprechend über einen langen Zeitraum spezifisch qualifiziert werden. Dies ist im Hinblick auf befristete Arbeitsverträge kaum realisierbar. Fachpersonal ist jetzt schon kaum zu  gewinnen.

• Der qualitativ hochwertige und komplexe Strukturaufbau für die Bildung eines SAPVTeams  Vorleistungen in nicht geringem Ausmaß benötigt.
Der Ankauf von Fahrzeugen, EDV und medizinischen Geräten erfordert ehebliche Vorleistungen für die Teams, die diese nicht leisten können. Viele Bundesländer gewähren gerade deshalb SAPV-Teams Anschubfinanzierungen zum Strukturaufbau.

SAPV braucht regional verankerte Netzwerke

Bei der SAPV handelt es sich nicht um eine abstrakte Idee, sondern vielmehr um Personen und Netzwerke in regionaler Repräsentanz und Verlässlichkeit. SAPV Teams sollen und müssen daher eng in den jeweiligen regionalen Kontext eingebunden sein. Die Beziehungsstärke und gemeinsam abgestimmte sowie qualitative Leistungsstärke der SAPV-Teams und der beteiligten Akteure untereinander wird bestimmt durch die emotionale Intensität, dem Grad des Vertrauens, der Reziprozität und der gemeinsam verbrachten Zeit. Nur so ist eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte und sichere Versorgung für die Schwerstkranken mit einem aufwändigen Versorgungsbedarf nachhaltig zu gewährleisten.

In einem Zeitraum von vier Jahren ist dies kaum zu erreichen. Die für die Versorgung des Patienten notwendige Kooperation und Koordination wird dadurch unnötig erschwert. Gerade deshalb und mit dem Blick auf eine bedarfsgerechte Versorgung der Betroffenen und ihrer Familien hat der Gesetzgeber darauf hingewiesen, dass die regionalen Bedingungen zu berücksichtigen sind.

Gesundheitsministerkonferenz gegen Anwendung Vergaberecht

Ob SAPV-Verträge eine Ausschreibung verlangen, wird derzeit kontrovers diskutiert. Ein Urteil des Bundessozialgerichtes, zu dem insoweit vergleichbaren §111 Abs.2 (2) SGB V, lehnt eine Befugnis der gesetzlichen Krankenkassen zur Bedarfssteuerung ab. Gestützt auf dieses Urteil sind auch Verträge nach §132d SGB V keine öffentlichen Aufträge und folglich nicht auszuschreiben. Auch die Gesundheitsministerkonferenz hat sich in ihrer diesjährigen Juni-Tagung (22. Juni 2017; Beschluss TOP 11.7) einstimmig gegen die Anwendung des Vergabereicht bei SAPV ausgesprochen. Auch die im §132d Abs.1 SGB V zu bestimmende unabhängige Schiedsperson und deren möglicherweise festzulegenden Vertragsinhalte im Fall der Nichteinigung der Vertragspartner folgt nicht der Logik für die Anwendung des Vergaberechtes.

Landesgesundheitsminister sollten Klarstellung im Gesetz veranlassen

Eine politische Abhilfe durch den Gesetzgeber sollte in Form einer Klarstellung der derzeit irreführenden Formulierungen im §132d SGBV erfolgen.
Dies betrifft aus unserer Sicht insbesondere folgende Formulierungen im §132d SGB V:

„… geeigneten Einrichtungen oder Personen“
In Abgrenzung zur Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung sollte hier eine Klarstellung zur SAPV als multiprofessionelle Teamleistung erfolgen.

•  „… soweit dies für eine bedarfsgerechte Versorgung notwendig ist“. 
Zielführend für eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung wäre eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Verhandlung und Festlegung von Musterverträgen nebst Preisvereinbarungen.

•  „Im Fall der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson festgelegt.“
Die Idee einer schlichtenden und moderierenden Instanz sollte bei der Gestaltung eines zukünftigen priviligierten "Vergabeverfahrens" aufgegriffen werden, um Verzögerungen iin der Umsetzung des Rechtsanspruches von gesetzlich Krankenversicherten zu erschweren, ohne gleich ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren in Betracht ziehen zu müssen. Dabei muss aber klar darauf geachtet werden, wie die Entscheidungen dieser Stelle transparent und überprüfbar gehalten werden.

Um eine sichere Rechtsgrundlage zum flächendeckenden Ausbau von SAPV zu gewährleisten könnte ein ,,eigenes" Verfahren für Verträge nach § 132d SGB V rechtlich verankert werden.
Diese Möglichkeit wurde bereits für Verträge nach § 63 und § 140a SGB V eingeführt.

Eine solche Privilegierung ist nach den Regelungen der Artikel 74 ff. Richtlinie 2014/24/EU durchaus möglich.

Gerne stehen wir Ihnen für Rückfragen zur Verfügung.

Michaela Hach
Vorsitzende BAG-SAPV